Meldung vom: | Verfasser/in: Angelika Schimmel
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Prof. Dr. Lukas Eibensteiner, Juniorprofessor für die Didaktik der romanischen Schulsprachen, und Prof. Dr. Jürgen Bolten, Seniorprofessor für Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der Jenaer Universität, arbeiten mehrsprachig und interkulturell. Sie fordern auch von ihren Studierenden, über den eigenen Tellerrand zu schauen, und wollen ihnen mit neuen Medienangeboten dabei helfen. Ihre in Jena entwickelten „Lernräume für mehrsprachiges und interkulturelles Lernen“ (MIL) sollen in die Nationale Bildungsplattform des Bundesbildungsministeriums (BMBF) eingebunden werden. Dritter Partner des mit 600.000 Euro vom BMBF geförderten neuen Projektes ist Prof. Dr. Claudia Schlaak von der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung für Französisch und Spanisch der Universität Kassel.
Spielerisch Neugier auf Mehrsprachigkeit und Interkulturalität wecken
Wie lernt man fremde Städte und Kulturen am besten kennen? Indem man dorthin reist, durch Straßen schlendert, Sehenswürdigkeiten besichtigt, vom gemütlichen Platz im Straßencafé aus die Menschen beobachtet und der Melodie ihrer uns fremden Sprache lauscht. Prof. Dr. Lukas Eibensteiner, Juniorprofessor für die Didaktik der Romanischen Sprachen an der Jenaer Universität, lädt seine Studierenden gern auf solche Reisen ein ins Elsässische Straßburg, auch Strasbourg oder Schdroosburi, wie die Einheimischen ihre Stadt nennen. Auf dem Weg durch das historische Viertel La Petite France, entlang des Flüsschens Ill oder beim Besuch des weltberühmten Straßburger Münsters müssen die jungen Leute im Team Rätsel und Aufgaben lösen, wofür sie Sprachkenntnisse und interkulturelles Wissen brauchen. Das Besondere: Für diese Tour in die Stadt mit bewegter deutsch-französischer Geschichte müssen die Reisenden keinen Fuß vor die eigene Tür setzen, denn Lukas Eibensteiner nimmt die Studierenden mit auf eine virtuelle Reise in einem sogenannten „Escape Room“.
Nach dem Vorbild der beliebten Rätsel-Räume konzipieren Eibensteiner und sein Team in einem neuen Drittmittelprojekt digitale Medienangebote für den sogenannten „MIL-Lernraum“ der Nationalen Bildungsplattform. Dort werden Vorlesungen, Lernmaterialien und Simulationen angeboten – und „weil das Lernen auch Spaß machen soll – auch diverse „Escape Rooms“ und 360-Grad-Lernumgebungen“.
„Vor dem Hintergrund, dass unsere Gesellschaft immer heterogener, internationaler und mehrsprachiger wird, müssen unsere Studierenden auf eine Berufswelt vorbereitet werden, in der sie mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, Religionen etc. in Kontakt kommen. Die Ausbildung mehrsprachiger und interkultureller Kompetenzen erscheint daher unabdingbar“, sagt Prof. Eibensteiner.
Der Romanistik-Didaktiker ist überzeugt, dass Tätigkeiten in mehrsprachigen und interkulturellen Kontexten – beispielsweise an einer Schule in einem anderen Land – den Horizont von Studierenden erweitern. Lehramtsstudierende der Jenaer Universität können beispielsweise ihr verpflichtendes Praktikumssemester auch an einer Schule im Ausland absolvieren. „Mehrsprachige und interkulturelle Interaktionsszenarien können jedoch nicht nur im zielsprachlichen Ausland, sondern auch mit Hilfe digitaler Medien erfahren werden. Die Potenziale wurden diesbezüglich aber noch nicht ausgeschöpft“, konstatiert Eibensteiner.
Um die Studierenden gut für die Herausforderungen in ihrem künftigen Berufsleben zu rüsten, will der Jenaer Wissenschaftler ihnen noch besseres Handwerkszeug für das mehrsprachige, interkulturelle Lernen mitgeben: „Unsere Zukunftsvision ist es, einen Lernbereich für Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu generieren, den die Nutzer und Nutzerinnen selbst weiterentwickeln und mit mehrsprachigen, interkulturellen Lehrmaterialien und Aufgabenstellungen füllen, die andere Beteiligte in ihrem Unterricht an Schulen oder in Lehrveranstaltungen an Universitäten nutzen können“.
Angebote für Lehramtsstudierende und Lehrkräfte
Nicht nur nach Frankreich, auch in die spanische Region Katalonien wollen die Projektbeteiligten ihre Studierenden bald einladen. Dabei seien die Escape Rooms und 360-Grad-Lernumgebungen nicht nur für die Einbindung in Seminare an Universitäten konzipiert. „Unsere Intention ist es, über spielerische Lernelemente niederschwellige und motivierende Einstiege in ganzheitliche Kompetenzentwicklungsprozesse zu öffnen und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte hinsichtlich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu entwickeln“, erklärt Eibensteiner. Dazu gehören auch virtuelle Planspiele, bei denen die Mitwirkenden beispielsweise gemeinsam Konzepte erarbeiten, die helfen, Mehrsprachigkeit an Schulen zu fördern. „Unsere Weiterbildungsofferten sind so angelegt, dass Lehrkräfte die Escape-Räume auf der Plattform selbst durchlaufen und danach eigene Erlebnisräume für den Unterricht bauen beziehungsweise Planspiele entwickeln können“.
Von Jena auf den „Glocal Campus“
Auch Prof. Dr. Jürgen Bolten vom Bereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation der Universität Jena hat bei dem Projekt nicht nur seine eigenen Studierenden im Blick. Dem von ihm 2004 initiierten virtuellen Hochschulnetzwerk „Glocal Campus" haben sich bis heute 90 Universitäten in 30 Ländern angeschlossen. In den von den Jenaern ausgedachten Planspielen treffen sich Studierende verschiedener Hochschulen virtuell und lösen gemeinsam Aufgaben – sie gründen fiktive Firmen oder schließen Kooperationsvereinbarungen. Und Boltens Kompetenz-Offerten richten sich schon lange auch an Unternehmer und Unternehmerinnen sowie Führungskräfte in der Wirtschaft. Der Spiritus Rector des „Glocal Campus", der internationale Hochschulen in vielen Wissensbereichen – von der Architektur bis zu den Wirtschaftswissenschaften – verbindet, will im Rahmen des Projektes nun diese inhaltlichen Angebote bündeln und technische Schnittstellen zwischen dem „Glocal Campus“ und der Nationalen Bildungsplattform herstellen.
Für das Projekt „Mehrsprachiges und interkulturelles Lernen“ stellt das Bundesbildungsministerium für zwei Jahre 600.000 Euro Fördermittel bereit. Damit werden insgesamt fünf halbe Stellen in Jena und Kassel finanziert, welche Escape Rooms, virtuelle Planspiele und 360-Grad-Lernumgebungen weiterentwickeln sowie deren Umsetzung wissenschaftlich evaluieren und begleiten.